Dienstag, 18. Oktober 2016

Ausblick - Weitblick - Angst


Das Fenster einer romanischen Kirche in Ligurien. Man blickt durch die Fensterbögen auf den kleinen Hafen. Man sieht aber auch etwas weiter entfernt, Berge. Berge, die die Bucht, in der sich das Dorf befindet, abgrenzen. Einerseits bietet das Fenster einen Ausblick und so könnte man meinen, auch den notwendigen Weitblick; man meint, abschätzen zu können, wie groß Hafen und Bucht sind. Andererseits schränkt das Fenster die Sicht doch recht stark ein und außerhalb der Kirche sieht man, dass Hafen und Bucht deutlich größer sind, als man zuerst hätte vermuten können. Im Gedanken an den Unterschied zwischen einem eingeschränkten Ausblick, dem damit vielleicht verbundenem fehlenden Weitblick kommt Angst auf, manches aufgrund dessen zu über- oder auch zu unterschätzen. Die sich daraus ergebenen Folgen können wir oft nicht bewerten.
Hierbei handelt es sich aber nur um ein Fenster. Fehler, die sich aufgrund der Enge der Sicht durchs Fenster ergeben, sind eher harmlos und zuweilen auch erheiternd.

Wir selbst haben aber oft genug einen weniger harmonischen Ausblick. Oft auch genau deshalb, weil uns Weitblick fehlt. Weitblick, als symbolischer Begriff dafür, dass wir aus unterschiedlichen Gründen nicht in der Lage sind, Zusammenhänge zu schaffen, oder sehen zu können und zu wollen. Oft geht eine gewisse Wut oder zumindest Ärger damit einher, oder ist dann die Folge daraus. Damit schränken wir unseren eigenen Ausblick sowohl in der Breite ein, wie das Fenster in der Kirche, als auch in der Weite. Die Gegenwart wird eingeengt, die Zukunft wird nebulös. Das eigene Leben wird zur engen Kammer; Angst kommt auf!

Wenn wir den Ausblick auf unser Leben und Handeln nur noch eingeschränkt sehen, alles als schlecht dargestellt präsentiert bekommen und wir uns minderwertig behandelt vorkommen, kommt neben der Angst vor dem nächsten Unheil immense Wut auf. Wut auf alles, was besser zu sein scheint, Wut auf jeden, dem es besser gehen könnte als uns selbst und der zum System gehört. Überhaupt gehört jeder der sich außerhalb unseres Ausblicks befindet, zu denjenigen deren Aus- und Weitblick bei uns Wut erzeugt; eigentlich ist die vermeintliche Wut aber Angst!

Damit unser Aus- und Weitblick soweit wie möglich uneingeschränkt ist, müssen wir schon selbstbestimmt dafür sorgen. Andere für toll und nachahmenswert zu halten, nur weil diese wissen wie man mit Sprache agieren kann, bringt uns selbst keine Erweiterung von Aus- und Weitblick. Bildung, Information und damit einher gehend, die Nutzung von Sprache sind hier glaube ich, grundlegende Voraussetzungen. Ein offener Aus- und Weitblick gibt Freiraum, Freiraum für eigene Kreativität und Selbstständigkeit.  Vielleicht schützt uns geschaffener Freiraum, geschaffene Freiheit vor unserer Angst. Die Angst vor allem Fremden und Neuen. Die Angst vor dem Unbekannten und vor allem vor dem was uns gerne als unmöglich suggeriert wird. Der offene Weit- und Ausblick schützt uns aber vorallem vor der Angst vor uns selbst!

Aussicht, Weitsicht, wie Freiraum und Freiheit! Ärger und Hass wie Angst und fehlendem Mut!