Montag, 20. Juli 2015

Einsamkeit

Ein kahl gewordener Baum steht auf einer Lichtung. Er ist von gesunden und starken Bäumen umringt. Wenn wir versuchen, uns ein wenig in den kahlen Baum hinein zu denken, wird er sich auf der Lichtung sicherlich einsam fühlen.

Spielen wir das Spiel weiter:

Der Baum ist kahl, krank, ja man könnte ihn auch hässlich bezeichnen. Rings um ihn gesunde, potente, vielleicht jüngere Bäume. Macht Alter und fehlende Kraft einsam?

Der Baum steht abseits der anderen. Andere Bäume sind in seiner direkten Nachbarschaft scheinbar nie gewachsen. Vielleicht hat er sie aber auch nicht wachsen lassen und damit getötet. Macht Einsamkeit stark oder starr?

Der Baum ist umringt von anderen, gesunden, vielleicht jüngeren Bäumen. Es scheint, als drängen ihn die jungen, gesunden Bäume in die Enge. Sie sind die Mehrheit, sie haben das Sagen! Kennen Mehrheiten Einsamkeit?

Die den Kahlen umringenden Bäume gehören verschiedenen Gattungen an. Laub- und Nadelbäume leben gut in Nachbarschaft zusammen. Ist der Kahle einsam, weil er anders ist?

Der kahle Baum hat seinen Reichtum verloren, seine Blätter und Blüten bzw. seine Nadeln und Zapfen. Die Gruppe um ihn herum steht noch voll in der Kraft des Lebens und ist reich an Nadeln, Zapfen, Blätter und Blüten. Macht Armut einsam?

Ein anderer, viel kleinerer Baum versucht direkt neben ihm zu wachsen und zu gedeihen. Irgendwann wird er den Platz des Kahlen einnehmen. Er wird stärker werden als der alte Baum und ihn vielleicht sogar fällen. Führt dann Stärke zur Einsamkeit?

Ein zweiter kahler Baum ist zu sehen, er steht quasi mitten in der Gruppe der gesunden Bäume. Die sehen ihn nicht als krank und hässlich, sondern als Mitglied der Gruppe; er ist angepasst. Hilft angepasst sein, gegen Einsamkeit?

Spielende!

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