Mittwoch, 8. Juli 2015

Hoch hinaus

Zwei Königskerzen strecken sich dem Himmel entgegen. So hohe hatten wir glaube ich, schon lange nicht mehr. Die Vordere der beiden hat mehrere, kleine und einen zentralen großen langen Blütenstiel. Bei der Hinteren hat sich der zentrale Blütenstiel zum "S" verformt. Warum? Er wollte doch auch hoch hinaus?
Oder erkennen Pflanzen doch, dass es stärkere Pflanzen gibt, denen man den Vortritt lassen sollte? Die wiederum dann höher wachsen und besser zur Vermehrung der Art beitragen, als vermeintlich schwächere Pflanzen. Faszinierendes passiert für den Langzeitbeobachter. Was nutzt es der vermeintlich kleineren Pflanze aber, wenn sie einer angeblich stärkeren den Vortritt lässt? Ursprünglich wollten doch beide Königskerzen hoch hinaus!

Und wir, wollen wir nicht auch immer hoch hinaus, immer höher? Wollen wir nicht auch an der Spitze sein, der Beste, der Größte? Macht das aber immer Sinn? Oder ist es nicht manchmal wirklich besser, anderen der Vortritt zu lassen um dann aber ein gesetztes Ziel ruhiger, weniger hektisch und gestresst zu erreichen?

Und Firmen, wollen die nicht auch hoch hinaus, immer höher? Sie müssen sogar, sie sind im Sog der Konkurrenz gefangen und wir mit Ihnen. Firmen werden immer größer, wer nicht mitmacht oder es nicht schafft, geht unter. Aber ist untergehen, scheitern nicht manchmal besser? Sich neu aufzustellen, vielleicht mit anderen Vorzeichen und weniger erfolgsgierig bringt vielleicht eine langfristig bessere Lage.

Und Politiker wollen hoch hinaus, ganz nach oben! Dafür müssen sie gegenüber anderen Politiker die Armen spreizen und ihren Wählern alles versprechen, wenig halten und auf keinen Fall die ganze Wahrheit sagen. Wären Politiker mit ehrlicher, transparenter Politik nicht die besseren? Scheinbar nicht, Ihnen wird augenscheinlich durch Lobbyarbeit vieles verwehrt. Lohnt es dann, als Politiker hoch hinaus zu wollen?

Und Staaten und Länder wollen hoch hinaus, immer höher? Wenn Staaten, Staatengebilde und Länder hoch hinaus wollen, denken wir meist nichts Gutes. Wenn Staaten über andere herrschen und ihnen vorschreiben, was zu tun ist, nennt man das Unterdrückung, manchmal aber auch Hilfe. Sollen Länder dringend notwendige Hilfe annehmen und wollen dies nicht, sondern etwas ganz anderes, nennen manchen das Erpressung oder Aufstand. Manche Staatengebilde bestehen zu großen Teilen aus Unterdrückung, Hilfe, Erpressung und Aufstand. Wäre hier eine Neuaufstellung sinnvoll? Dann könnten alle Länder hoch hinaus?

Und wir? Wollen wir trotzdem hoch hinaus? Oder ist es nicht besser, sich manchmal auch darüber Gedanken zu machen?


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